Verfechter der Wahrheit und des Rechts

Seit gestern Abend sind Pfarrer Joel Ruml – scheidender Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder – und Pavel Stolar – scheidendes Mitglied des Synodalrates der EKBB – Gäste der 13. Tagung der 11. Kirchensynode der EKHN. In seinem Grußwort betont Pfarrer Ruml die gemeinsame Verantwortung für die Flüchtlinge die zu uns kommen.

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Grußwort Pfarrer Joel Ruml

Sehr geehrter Herr Präses der Synode, sehr geehrter Herr Kirchenpräsident, verehrte Synodalinnen und Synodalen, Schwestern und Brüder!

Wir bringen Ihnen herzliche Grüße von der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in der Tschechischen Republik. Wir schätzen sehr, dass wir bei einem Teil der Sitzung Ihrer Synode dabei sein können. Trotz der Tatsache, dass unsere Kirche in der tschechischen Gesellschaft eine Minderheitskirche ist, haben wir lebhafte und gute ausländische Beziehungen. Die Beziehungen zu Ihrer Kirche gehören für uns zu den wichtigsten. Deswegen sind wir sehr gerne zu Ihnen gekommen. Und wir haben uns sehr gefreut, dass am vergangenen Wochenende Ihre stellvertretende Kirchenpräsidentin Frau Scherf und Oberkirchenrat Knoche zur Einsetzung des neuen Synodalrates nach Prag gekommen sind – und mit uns gemeinsam gefeiert haben.

Es gibt vieles, was wir von einander wissen, doch in manchen Aspekten unterscheiden sich unsere Situationen – wegen der unterschiedlichen historischen Entwicklung in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Das kann man besonders beim Zugang zur Migrationsfrage bemerken, sowie auch im Blick auf die Aufnahme von Flüchtlingen, der Lösung der Spannung innerhalb der Gesellschaft, oder der Schutz und die Entwicklung der europäischen Kultur und Zivilisation. Ihr Land hat schon langjährige Erfahrungen mit multikulturellen und nationalen Fragestellungen. Wir können uns vorstellen, es geht um positive, sowie auch negative Erfahrungen. Trotzdem befindet sich bei uns der Zugang zu dieser Problematik auf einer ganz anderen Ebene. Dank unserer früheren Ideologie siedeln sich die anderen Religionen erst jetzt in der tschechischen Gesellschaft an, und sie sind fast bedeutungslos. Deswegen hat unsere Gesellschaft mit ihnen keine Erfahrung. Umso mehr müssen wir jetzt mit der Angst vor dem Unbekannten umgehen, sowie mit vielen negativen Reaktionen gegenüber denen, die jetzt kommen. So ruft die Tatsache, dass sie aus den vom sogenannten Islamischen Staat beherrschten Gebieten kommen, Panikreaktionen in der tschechischen Gesellschaft hervor. Dazu kommt der Populismus mancher Politiker und dieser verstärkt den Weg der Gesellschaft in fast so etwas wie eine Sackgasse der Sorge um sich selber und der Gleichgültigkeit gegenüber den Nächsten. Die Stimme der Kirchen in der Gesellschaft ist nicht so kräftig, doch ist sie klar. Es ist immer noch sehr spürbar, dass die kommunistische Ideologie den Einfluss der christlichen Tradition unterbrochen hat. Unsere Kirche hat mehrmals ihre Unterstützung für die Aufnahme von Flüchtlingen zum Ausdruck gebracht, sie appelliert an die Politiker für größeren Mut und sinnvolle Argumentation, sie macht konkrete Schritte der Koordinierung, wie man helfen und die Angst in und zwischen den Menschen überwinden kann. Mit Dankbarkeit haben wir uns der Erklärung der leitenden Geistlichen der EKD zur Flüchtlingssituation angeschlossen und unsere Unterschrift hinzugefügt. Ein langer Weg erwartet uns, da dieser Umzug der Nationen eine lange Zeit dauern wird. Überdies wächst die Gefahr, dass an diese von Krieg und Völkermord in Syrien motivierte Migration in kurzem eine weitere Migration anknüpft, die aufgrund der Klimaveränderungen, vornehmlich wegen dem Mangel an Wasser in manchen Teilen der Welt stattfinden wird.

Ich bin froh, dass wir in dieser Situation Ihre Erfahrungen nutzen können und ich glaube, es wird uns gelingen, zu den zivilisierten Ländern deutlicher zu gehören, d.h. zu denen, die imstande sind, Heimat und Sicherheit denen anzubieten, die in Gefahr sind und denen es ums Leben geht. Deswegen schätze ich unsere – vornehmlich jungen – Leute, die an verschiedene Orte Südeuropas fahren, um dort zu helfen und ein anderes Gesicht der tschechischen Gesellschaft zu zeigen als das, was durch den offiziellen Weg manchmal präsentiert wird.  Ich bitte Sie freundlichst um Verzeihung aller Exzesse und unklarer (manchmal ja peinlicher) Äußerungen und Auftritte mancher unserer Politiker. Wir sind immer noch ein Land, das sich in Richtung Demokratie und ein Leben in Freiheit bewegt. Wir brauchen noch eine gewisse Zeit für das politische und persönliche Reifen. Ich bin sicher, dass die Kirche, Trägerin der Lehre Christi, immer so wirken wird, dass die Umgebung und das Denken kultiviert wird und dass die Gesellschaft allmählich zu den freien, demokratischen und toleranten Ländern zählt, zu denen sie langfristig gehört.

In diesem Jahr wurden wir durch den 600. Jahrestag des Märtyrertodes von Jan Hus in Konstanz daran erinnert, wie wichtig Freiheit und Toleranz sind. Dieser Jahrestag wurde in Tschechien sowie im Ausland, besonders im badischen Konstanz begangen.

Wir haben uns sehr gefreut, dass die deutschen Landeskirchen bei den Hus-Feierlichkeiten am 5. und 6. Juli in Prag sehr stark vertreten waren. Zu Gast war auch die Botschafterin des Rates der EKD für die Reformations-Feierlichkeiten im Jahr 2017, Frau Bischöfin Margot Kässmann. Natürlich hat uns auch die Teilnahme der Gäste aus der EKHN sehr gefreut.

Das Wirken von Jan Hus am Übergang vom 14. zum 15. Jahrhundert ist zu einem wesentlichen Faktor der tschechischen Geschichte geworden. Bis heute rechnet die tschechische Gesellschaft den Meister Jan Hus zu den bedeutungsvollsten Persönlichkeiten ihrer Geschichte. Für uns, die tschechischen Protestanten, ist Hus ein kräftiger Zeuge der Wahrheit in Christus, die allein den Weg zur wirklichen Freiheit, zu Frieden und Toleranz öffnet. Dadurch wird Hus eine überzeitliche Erinnerung daran, dass man bei Christus schöpfen kann, um die Gesellschaft und Umgebung, in der man lebt, formen zu können. Deshalb habe ich die Hoffnung auf allmähliche Veränderung des Geistes der tschechischen Gesellschaft –  auch aufgrund dieses Zeugen, zu dem sich auch Martin Luther deutlich bekannt hat. Ich wünsche mir, dass wir in den zeitgenössischen Problemen und neuen Situationen der Verwandlung Europas sowie der ganzen Welt klare Verfechter der Wahrheit und des Rechtes sind, und so am Bezwingen der Willkür und des Bösen auf der zwischenmenschlichen wie auch auf der internationalen Ebene teilnehmen. Ich erwarte, dass wir auch so an Meister Jan Hus anknüpfen können und sein Erbe für folgende Generationen aktualisieren.

Gestatten Sie mir zum Schluss eine persönliche Bemerkung. Vor ein paar Tagen endete meine Amtszeit als Synodalsenior. Ähnlich hat Pavel Stolař, der mit mir zu Ihnen gekommen ist, seine Amtszeit als Stellvertreter der Synodalkuratorin beendet. Hinter uns liegen zwei sechsjährige Amtszeiten, und nach zwölf Jahren haben wir die Zentrale unserer Kirche verlassen. Wir verlassen auch das Zentrum der Beziehungen in der weiten Ökumene, und wir übergeben diese Aufgaben denen, die von uns diese Ämter übernommen haben. Erlauben Sie uns bitte, dass wir uns bei Herrn Kirchenpräsident Volker Jung, beim Präses der Synode Herrn Ulrich Oelschläger und ihren Vorgängern für die langjährige gute Zusammenarbeit und das geschwisterliche Miteinander bedanken. Wir bedanken uns bei Herrn Friedhelm Pieper und Oberkirchenrat Detlev Knoche und ihre Vorgänger für die Begleitung des Lebens unserer Kirche, für Hilfe und solidarische und verstehende Zusammenarbeit am gemeinsamen Werk des Volkes Christi in der Welt. Wir grüßen Sie alle herzlich auch von den neuen Repräsentanten unserer Kirche – von Synodalsenior Daniel Ženatý und Synodalkurator Vladimír Zikmund.

Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Synodalsitzung. Wir wünschen Ihnen und der ganzen deutschen Gesellschaft auch viel Kraft beim Tragen der Last, die jetzt auf Ihnen liegt. Die Liebe Gottes, Weisheit des Heiligen Geistes und auf Gottes Gnade gegründete Hoffnung sei mit Ihnen!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Joel Ruml

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