Wem gehört Silwan | The City of David

Nach Gesprächen am Samstagvormittag mit einem Vertreter von „Palestine Vision“ – einer neuen unabhängigen Jugendorganisation – und dem Dekan der islamisch-theologischen Fakultät der Al-Quds Universität, Dr. Mustafa Abu Sway fahren wir am Nachmittag in den Stadtteil Silwan. Er grenzt an die Südmauer der Altstadt, gehört zu dem palästinensischen Teil Jerusalems der 1967 besetzt und 1980 annektiert wurde. Hier vermutet man die alte Stadt Davids – der Ort, wo David ca. 1000 v.Chr. sein Königreich gründete. Für Israelis ein historisch wichtiger Ort – der Gründungsort ihres Staates – der nach ihrem Verständnis zu einem Staat Israel gehören muss. Hier leben bis heute überwiegend Palästinenser. Nach 1967 haben Siedler begonnen kleine Siedlungen illegal zu errichten, die sich mittlerweile wie ein Gürtel um den Stadtteil ziehen. Silwan ist zu einem Hot Spot in der Auseinandersetzung um die Zukunft Jerusalems geworden. Mit Ausgrabungen – zum Teil in unterirdischen Tunneln – versucht Israel die These von der Stadt Davids zu erhärten und so Besitzansprüche zu untermauern. Ein Teil der Ausgrabungen ist öffentlich zugänglich und touristisch erschlossen. Es wird vermutet, dass man bei den Ausgrabungen auf eine Mauer aus der Zeit des Königtums von David gestossen ist und dass es die Mauern seines Königspalastes sein könnten, aber sicher sind sich die Archäologen letztendlich nicht. Nun wird weiter ausgegraben – nach internationalem Recht illegal, da es Staatsgebiet der Palästinenser ist.

Stadteil Silwan

Im „Wadi Hilwah Information Center – Silwan“ – unmittelbar neben der touristisch erschlossenen Ausgrabungsstätte – informieren die Bewohner vom Ringen um ihren Stadtteil. Nach dem Zerfall des Königreiches Davids hat es hier viele verschiedene Herrscher gegeben. Seit Generationen leben sie hier und drängen auf eine Lösung die ihnen ihre Existenz- und Besitzrechte in diesem Teil Ost-Jerusalems auch künftig sichert. „I love you Silwan“ tragen einige Bewohner demonstrativ als Aufschrift auf T-Shirts.

Unsere Gesprächspartner an diesem Tag – Israelis wie Palästinenser – sind sich in einem einig: die Ausklammerung einer Lösung für die Zukunft Jerusalems im Friedensprozess von Oslo war ein Fehler. Die Frage, wem gehört Jerusalem, muss auf den Verhandlungstisch; ihr kann nicht weiter aus dem Weg gegangen werden. Unser israelischer Gesprächspartner, der uns auch sehr engagiert durch einen Teil der Ausgrabungen führt, deutet an, dass die Internationalisierung und gemeinsame Verwaltung eine mögliche Lösung wäre. Für die weiteren Ausgrabungen würde dies bedeuten, dass auch diese in gemeinsamer Planung, Absprache und Bewertung erfolgen müssen und nicht länger in Hand der Siedler liegen kann.

Beim Abendessen in der Altstadt treffen wir Rabbi Jeremy Milgrom – Mitbegründer der Rabbis for Human Rights. Als Pazifist steht er der Politik der israelischen Regierung sehr kritisch gegenüber und unterstützt die israelische Friedensbewegung.

Heute Morgen entscheiden wir gemeinsam in den englischsprachigen Gottesdienst in die Erlöserkirche zu gehen. Danach brechen wir auf nach Jenin im Norden der Westbank. Von Jerusalem fahren wir zum Toten Meer (ca. 1100 Höhenmeter tiefer gelEgen – von 800 auf -300). Dort ein kurzer Besuch im griechisch-orthodoxen Kloster zu Ehren von St. Gerrassimos und in der islamischen Tradition die Begräbnisstätte von Mose. Einige Zeit fahren wir das Jordantal entlang und biegen dann ab in das judäische Bergland nach Nablos. Nach einem kurzen Besuch am Jakobsbrunnen und der darüber errichteten Kirche – hier hat der Überlieferung nach Jesus eine Samaritanerin um Wasser gebeten – besuchen wir mit Afaf die Altstadt von Nablos. Immer wieder Bilder von jungen Männern an den Häusern, die im Wiederstand gegen Israel gefallen sind und hier als Märtyrer verehrt werden. Afaf erzählt von der hohen Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen und die damit verbundenen Herausforderung. Eine neue Jugendbegung ensteht, die versucht unabhängig von den politischen Kräften in Palästina ihre Interessen zu formulieren.

Nablos ist bis heute eine wichtig Handelsstadt und darüber hinaus bekannt für die Qualität seiner Süßspeisen. „Knafeh“ heißt die besondere Spezialität von Nablos: eine Art süß überbackener Mozarellakäse.

Am Abend erreichen wir Jenin und werden im Cinema Jenin herzlich empfangen – ein Projekt, das gegenwärtig von der EKHN mit unterstützt wird.

 

 

Erste Begegnungen mit Israel | Palästina

Rabbi David Rosen (Repräsentant des American Jewish Komittee in Jerusalem), Fr. Dr. David Neuhaus SJ. (Patriarcal Vikar for the Hebrew speaking Catholics), Ofer Zalzberg (International Crisis Group Jerusalem Office) und Propst Wolfgang Schmidt (EKD Redeemer Church) waren heute unsere Gesprächspartner. Intensive und spannende Gespräche, die uns in die aktuelle politische und religiöse Situation in Israel und Palästina eingeführt haben. Die Unterschiede  zwischen Ultraorthodoxen Juden, national-religiösen Juden, traditionellen und säkularen Juden waren in allen Gesprächen Thema.

Rabbi David Rosen

Rabbi David Rosen hat sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es eine friedliche Zukunft für diese Region nur geben kann, wenn beide Seiten -Istaelis und Palästinenser – ihre jeweiligen (Feind)bilder bezüglich des anderen überwinden und die Ängste des jeweils anderen wahrnehmen und in eine gemeinsame Zukunft einbringen können.

Fr. Dr. David Neuhaus SJ.

Ein Teil der Komplexität und Wiedersprüche in Israel ist in einer kleinen biographischen Anekdote von David Neuhaus deutlich geworden. Er ist ein in Israel gebürtiger Jude, konvertierte in Israel zum Katholizismus und hat damit seine Staatsbürgerschaft nicht verloren. Menschen jüdischer Abstammung die im Ausland leben und noch keine israelische Staatsbürgerschaft haben, zum Christentum konvertieren und dann nach Israel übersiedeln und um die israelische Staatsbürgerschaft bitten, haben dagegen nach höchst-richterlichem Beschluß kein Anrecht darauf. Israelischen Staatsbürgern_innen ist die Einreise in palästinensische Gebiet bei Strafe untersagt. Zu dem Dienstauftrag von David Neuhaus gehört der Unterricht an katholischen Ausbildungsstätten in Palästina. Bei dem Versuch der Einreise wurde er immer wieder verhaftet. 2001 lehnt die Religionsbehörde in Israel den Antrag einer zum Reform-Judentum konvertierten US-Amerikanerin auf die israelische Staatsbürgerschaft ab, da sie das Reform-Judentum nicht anerkennt. Die betroffene Person erwirkt einen höchst-richterlichen Beschluss in Israel und die Religionsbehörde musste ihr die Staatsbürgerschaft zuerkennen. Diese beschliesst ihr einen Israelischen Pass auszustellen, in dem die Rubrik „Nationalität“ offen blieb und lediglich „xxx“ eingetragen wurden um so die Anerkennung des Reform-Judentum zu umgehen. Als dies öffentlich wurde, bemühte sich David Neuhaus als israelischer Katholik sofort um einen neuen israelischen Pass in dem ebenfalls diese Rubrik mit „xxx“ ausgewiesen wurde. Mit diesem neuen Pass kann er nun unbehelligt nach Palästina ausreisen um seine Vorlesungen zu halten.

Propst Wolfgang Schmidt
Am Abend treffen wir noch Debbie Weismann – bis vor 14 Tagen noch jüdische Vorsitzende des Internationalen Rates der Christen und Juden – und feiern gemeinsam mit ihr in ihrer Gemeinde den Shabbath.

 

Urgent Appeal der Christen in Syrien und dem Libanon

Kurz vor meinem Abflug nach Tel Aviv erreicht mich über die Evangelische Mission in Solidarität (ems) ein „Urgent Appeal from the Supreme Council of the Evangelical Community in Syria and Lebanon“. In diesem dramatischen Aufruf an Kirchen und Organisationen in der ganzen Welt machen die evangelischen Kirchen in Syrien und dem Libanon auf die schreckliche Lage der Zivilbevölkerung und der christlichen Gemeinden in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Syrien, auf die grausamen Verbrechen an der nicht sunnitischen Bevölkerung in den von der ISIS kontrollierten Gebieten Syriens und des Irak und auf die zunehmend angespannte Situation auf Grund der großen Flüchtlingsströme im Libanon aufmerksam und rufen den Notstand („state of emergency“) aus.

Sie fordern Kirchen, Organisationen und Regierungen weltweit dazu auf,

  • auf die schreckliche Lage der Minderheiten und liberalen Kräfte in der Region aufmerksam zu machen,
  • die Christliche Bevölkerung und die liberalen Kräfte in der Region zu unterstützen,
  • eine Strategie für ihre langfristige Präsenz in der Region zu entwickeln
  • und ausreichend Mittel für die Versorgung der zivilen Opfer der Gewalt und die zahlreichen Flüchtlinge in der Region zur Verfügung zustellen.

Der Aufruf ist über die Homepage der ems www.ems-online.org abzurufen.