Hoher Besuch aus Japan auf Einladung des Zentrums Oekumene

Gestern Abend in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei ein engagiertes Gespräch zwischen der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und dem ehemaligen Premierminister von Japan, Naoto Kan.

Naoto Kan war 2011 Premierminister Japans als es zur Atomkatastrophe in Fukushima kam. Eindrucksvoll berichtete er im Gespräch mit Malu Dreyer und in einem anschließenden Vortrag vor zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern im Festsaal der Staatskanzlei von seinen Auseinandersetzungen mit Tepco, den Betreibern der Atomkraftwerke in Fukushima und den bis heute anhaltenden Gefährdungen für die Bevölkerung durch die Kernschmelze. Engagiert beschreibt er seinen Weg, wie er von einem Befürworter der Atomenergie zu einem ihrer energischen Gegener wurde und wie er bis heute sein gesamtes politisches Gewicht für einen Ausstieg aus der Atomenergie einsetzt.

Für seinen Mut erhält er am Samstag im Frankfurter Römer den internationalen Preis „Courage beim Atomausstieg“. Dass dies möglich wurde, daran war maßgeblich das Zentrum Oekumene beteiligt. Das gab mir Gelegenheit zu einer entsprechenden Würdigung zu Beginn seines Vortrages in der Staatskanzlei.

 

Begrüßung anlässlich der Rede des ehemaligen Premierministes von Japan, S.E. Naoto Kan 28. April 2016 im Festsaal der Staatskanzlei in Mainz durch OKR Pfr. Detlev Knoche, ZOE, Frankfurt

Sehr geehrte Damen und Herren,

Als Vertreter der Evangelischen Kirche freue ich mich sehr, Sie alle anlässlich des Vortrages des ehemaligen Premierministers von Japan, S.E. Naoto Kan, hier begrüßen zu dürfen. Ich überbringe Ihnen auch die herzlichsten Grüße von Kirchenpräsident Dr. Jung, der Stellvertretenden Kirchenpräsidentin Frau Scherf und den Mitgliedern der Kirchenleitung.

Herr Kan wurde nach Deutschland eingeladen, da er als erster Preisträger für den internationalen Preis „Courage beim Atomausstieg“ gewählt wurde. Die Preisverleihung, eine Kooperation der Stadt Frankfurt und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, findet am 30. April im Kaisersaal des Frankfurter „Römer“ statt.

Der heutige Abend ist eine Kooperation der Landeszentrale für politische Bildung und dem Zentrum Oekumene. Es ist eine gute Tradition, dass wir von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau mit der Landeszentrale für politische Bildung oder anderen Institutionen des Landes Rheinland-Pfalz kooperieren. Dies beruht auf intensive Erfahrungen und Zusammenarbeit im Rahmen der Millenium Development Goals und Veranstaltungen im Rahmen der Millenium Gates hier in Mainz.

Für Japaner mag es ungewohnt sein, dass eine religiöse Gruppe so eng mit einer staatlichen Institution zusammen arbeitet. Aus den Kriegserfahrungen hat man in Japan nach 1945 eine scharfe Trennung von Staat und Religion vollzogen. Dem gegenüber hat man in Deutschland ein Rechtssystem eingeführt, das sowohl die Trennung von Staat und Kirche vorsieht, als auch die Kooperation zwischen beiden in der Gesellschaft ermöglicht. Hier übernehmen Kirchen und andere zivile Gruppen gesellschaftspolitische Verantwortung und beteiligen sich aktiv an der öffentlichen Diskussion.

„Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ – der sogenannte konziliare Prozess – sind seit vielen Jahren in unserer Kirche zentrale Themen, an denen wir uns orientieren. Dieses spiegelt sich in unseren Gebeten, Gottesdiensten und in den Beschlüssen unseres Kirchen-Parlamentes. Die Leitungsgremien unserer Kirche haben sich wiederholt klar und deutlich gegen die Nutzung der Atomenergie sowohl für militärische Zwecke wie auch zur Stromerzeugung öffentlich ausgesprochen.

Im Vorfeld der Preisverleihung hatte das Zentrum Oekumene eine Reihe von internationalen Konferenzen zu den Gefahren der atomaren Kette durchgeführt. Leitgedanke dieser Konferenzen war die bewusste Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen über den begrenzten kirchlichen Rahmen hinaus, verbunden mit einem konsequent internationalen und interdisziplinären Zugang. Hier konnten wir die Perspektiven unserer internationalen kirchlichen Partner ebenso einbringen wie die Erfahrungen aus dem interreligiösen Dialog. Aus diesen Diskussionen ergab sich, dass die verschiedenen Religionsgemeinschaften in unterschiedlichen Ländern die Nutzung der Atomenergie in ihren Stellungnahmen nahezu gleichlautend ablehnen.

Bei unseren Konferenzen kamen sehr unterschiedliche Gruppen zusammen: Ärzte von IPPNW, Rechtsanwälte von IALANA, anti-Atom-Aktivisten verschiedener Gruppierungen, Naturwissenschaftler, Journalisten sowie Vorreiter für erneuerbare Energie.

Unsere ökumenischen und interreligiösen Kontakte ermöglichten es, dass sich

Japaner und Koreaner, Europäer und Amerikaner,

Christen, Buddhisten und Muslime,

Experten und Opfer von Atomkatastrophen,

sowie Kläger und Rechtsanwälte von Gerichtsverfahren gegen Atombetreiber

persönlich begegnen, miteinander reden und einander zuhören,

Erfahrungen austauschen und voneinander lernen,

sowie sich zum weiteren Engagement gegenseitig motivieren.

Dies schuf diverse Synergien und löste eine Dynamik für weitere konkrete Schritte aus. Einer dieser Schritte resultierte in der Idee, einen solchen Preis zu stiften, der den Mut beim Atomausstieg auszeichnet. Als Stifter des Preises boten sich die Elektrizitätswerke Schönau an, eine Genossenschaft, die zu Recht als Pionier und Vorbild der Energiewende gilt.

Die Verflechtungen von wirtschaftlichen, militärischen und politischen Interessen sind im Bereich der friedlichen und militärischen Nutzung der Atomenergie außerordentlich beängstigend. Daher gehört ungeheuer viel Mut dazu, für eine radikale Abkehr von der Atomkraft aktiv einzutreten. Dafür steht unser heutiger Gast, S.E. Naoto Kan.

Sie, sehr verehrter Herr Kan, haben den Mut bewiesen umzudenken und Sie treten heute für eine effektive Energiewende in Japan ein, wie es auch die Mehrheit der Bevölkerung erhofft. Ihre Courage für den Atomausstieg einzutreten, macht vielen Menschen Mut, nicht nachzulassen im Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung, für die Verwirklichung von Gerechtigkeit und für die Bemühungen um Frieden.

Ich bin sehr gespannt darauf, jetzt von Ihren Erfahrungen und Einsichten zu hören und zu lernen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

 

 

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