100 Jahre Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder

In diesen Tagen feiert unsere Partnerkirche in Tschechien, die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) ihr 100-jähriges Bestehen. Ihre Geschichte ist unmittelbar mit dem Ende des ersten Weltkrieges verbunden.

Wallenstein-Palais – Senatssaal des Parlaments der Tschechischen Republik (Bild D.Knoche)

Zum Auftakt der Feierlichkeiten hat sie gemeinsam mit dem Senat des Parlaments der Tschechischen Republik, der Evangelischen Theologischen Fakultät der Karlsuniversität Prag, dem Ökumensichen Rat der Kirchen in der Tschechischen Republik, der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte zu einer Internationalen Konferenz „Kirchen in Mitteleuropa über das Epochenjahr 1918 – Das Ende des ersten Weltkrieges in den Erinnerungen der protestantischen Kirchen Mitteleuropas“ in das Wallenstein-Palais des Senats eingeladen. Wie unterschiedlich die Narrative auch in den Kirchen Mitteleuropas im Blick auf das Ende des ersten Weltkrieges und auf die damals neu entstandenen Nationalstaaten waren und sind, das haben die  Beiträge aus Tschechien, der Slowakei, Polen, Österreich und Ungarn sehr deutlich gemacht. „Für manche ist die Gedenkfeier 2018 Anlass zu Freude. So z.B. in Tschechien und Polen, wo das Ende des Großen Krieges nationale Souveränität und die Geburt des modernen Staatsgebäudes bedeutet. In der neu entstandenen Tschechoslowakischen Republik entstanden zu gleicher Zeit neue Kirchen. Für andere Länder wie Ungarn bedeuten die Folgen des Sieges der Entente bis heute eine traumatische Erfahrung, die mit Verlust von Staatsgebieten und Nationalstolz verbunden war.“ – so im Einladungsflyer zur Konsultation.

Nach 1918 war die Atmosphäre auch in den neu entstanden Kirchen geprägt von Spannungen zwischen einer triumphalistischen und glorifizierenden Erinnerung an das Vergangene auf der einen und traumatischen Erinnerungen an die Grausamkeiten des Krieges auf der anderen Seite. Erst langsam entwickelten sich zwischen diesen beiden Polen Räume für  Versöhnung die auch Wege für den Dialog der Narrative eröffnete. Diese Konsultation ist ein Beitrag dazu. Sie macht deutlich, dass in Europa eine Kultur gefördert werden muss, in der nicht länger die Toten sondern das Töten bedrauert wird!  Ein wichtiger Schritt dazu ist das gemeinsame Wort der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) zum Ende des ersten Weltkrieges, das auf der Vollversammlung der GEKE im September diesen Jahres in Basel verabschiedet wurde (vgl. https://cpce-assembly.eu/download/texte-und-beschluesse-der-vollversammlung/?wpdmdl=675&ind=HonKmIyWgX_cVJ_wVkpfytaUK10Sh_gTo4BXA59GSgU). Am Ende heißt es dort: „Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa ist dankbar, dass die in ihr verbundenen Kirchen heute diese Vergangenheit gemeinsam erinnern und zur Sprache bringen. Dies ermöglicht, gemeinsam Zukunft zu gestalten.
Die traurigen Erfahrungen vor 100 Jahren und danach geben Anlass dazu, dass die evangelischen Kirchen ihren Weg durch die Geschichte gemeinsam kritisch- selbstkritisch prüfen, heutige soziale, wirtschaftliche und politische Vorgänge analysieren und die Möglichkeit zum Aufbau gerechter Strukturen wahrnehmen.“

In Ihrem Grußwort hob die stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN, Ulrike Scherf, hervor wie wichtig es ist, dass die unterschiedlichen Narrative „nicht nur unversöhnt nebeneinander stehen bleiben, sondern als unterschiedliche Perspektiven betrachtet und ausgesprochen werden.“

Das Grußwort im Wortlaut:

Sehr geehrte stellvertretende Senatsvorsitzende Miluše Horská,
sehr geehrter Synodalsenior Daniel Ženatý,
sehr geehrter Dekan Jiří Mrázek,

es ist eine große Ehre für mich, heute an dieser so überaus wichtigen internationalen Konferenz teilnehmen und Ihnen die herzlichsten Grüße überbringen zu können: Grüße von der Evangelischen Kirche in Deutschland – einem der Mitveranstalter dieser Konferenz – und von der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau – der EKHN wie wir sagen. Als Stellvertretende Kirchenpräsidentin danke ich ganz herzlich dem Senat des Parlaments der Tschechischen Republik und unserer langjährigen Partnerkirche – der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder – für diese Einladung.

Der historische Anlass für diese Konferenz ist das Ende des ersten Weltkrieges,einem grausamen Krieg mit unermesslich vielen Opfern. Am Ende des Krieges wurden Grenzen neu gezogen. Dabei gab es Gewinner und Verlierer. Mit ganz unterschiedlichen Narrativen schauen Menschen auf das Ende des ersten Weltkrieges. Dass diese nicht nur unversöhnt nebeneinander stehen bleiben,sondern als unterschiedliche Perspektiven betrachtet und ausgesprochen werden, das ist Anliegen dieser Konferenz und das ist heute wichtiger denn je!

Im September tagte in Basel die Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. Unsere beiden Kirchen haben dort erfolgreich die Verabschiedung eines gemeinsamen Friedenswortes unterstützt. Darin äußern sich die evangelischen Kirchen Europas zum ersten Mal gemeinsam zum Ende des Ersten Weltkrieges und seinen Folgen – zur Frage der Schuld, der Aufgabe der Versöhnung, der Frage von Migration und Minderheiten, und der Herausforderung von Demokratie und Zivilgesellschaft.

Mit der Gründung der Tschechoslowakischen Republik vor 100 Jahren entstanden neue Kirchen – auch die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder. Im Gegensatz zu anderen Ländern wurden damals bei der Gründung konfessionelle Grenzen überwunden und eine unierte Kirche gegründet, zu der seit einigen Jahren auch die Deutschsprachige Evangelische Gemeinde Prag gehört.

Seit vielen Jahren verbindet unsere beiden Kirchen eine tiefe und lebendige Partnerschaft, die neben dem Austausch über theologische Fragen auch einegemeinsame Verantwortung für Europa sieht. Mit großer Aufmerksamkeit haben wir die öffentliche Mahnung Ihres Synodalrates im Sommer diesen Jahres zur Aufnahme von und Hilfe für Flüchtlinge wahrgenommen – ein Anliegen, das uns verbindet.

Und so überbringe ich Ihnen an dieser Stelle auch die herzlichsten Glück- und Segenswünsche zum 100. Geburtstag Ihrer Kirche. Möge Gottes Segen mit Ihnen in das nächste Jahrhundert gehen und auch unsere Partnerschaft begleiten.

Herzlichen Dank für Ihrer aller Aufmerksamkeit und der Internationalen Konferenz wünsche ich nun einen guten Verlauf.



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