Berichte aus Arusha | Tansania – Weltmissionskonferenz

Vergangene Woche ist in Arusha | Tansania die Weltmissionskonferenz mit einem „Arusha Call to Discipleship“ zu Ende gegangen („Arusha Call“ am Ende des Beitrags als pdf zum download). Die Teilnehmenden aus dem  Zentrum Oekumene – Dr. Helga Rau und Bernd Müller – sind wieder gut  in Frankfurt gelandet und berichten beide von ihren Eindrücken und Erfahrungen. 

Teilnehmende aus Hessen (v.l.): Prof. Dr. Wilhelm Richebächer (FIT Hermannsburg), Hanna Saal (Theologiestudentin, Frankfurt a.M.) Onno Hofmann (Theologiestudent, Hamburg), Pfr. Bernd Müller und Dr. Helga Rau (Zentrum Oekumene)

 

Moving in the spirit – called to transforming discipleship
(von Dr. Helga Rau)

Vom 8. bis 13. März 2018 fand in Arusha (Tansania) die Weltmissionskonferenz statt. Mehr als 1000 Menschen aus aller Welt und den unterschiedlichsten Kirchen und Konfessionen nahmen daran teil. Es war die 2. Missionskonferenz auf dem afrikanischen Kontinent nach Accra im Jahre 1958. Sie stand unter dem Motto „Moving in the spirit – called to transforming discipleship“.

Am ersten Tag der Konferenz waren alle Teilnehmenden aufgefordert an der Kampagne „Thursday in Black“ teilzunehmen, die für Solidarität und Advocacy gegen alle Formen von sexueller und geschlechtsbezogener Gewalt einsteht. Die meisten Frauen, aber auch viele Männer waren am Tag der Konferenzeröffnung schwarz gekleidet und unterstützen mit diesem Zeichen die Aktion.

Der Tag begann mit einem Morgengebet und einer Bibelarbeit. Nach einer theologischen Einführung in den Bibeltext wurde an großen runden Tischen mit 8 bis 10 Personen über den Text geredet. Hier trafen sich Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kirchen – Pfingstler, Lutheraner, Katholiken, Orthodoxe u.a. – um kontextuell über die Bibelverse zu reden. Es herrschte eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre, in der jede und jeder offen reden konnte.

Jeder Tag stand unter einer anderen Überschrift. Ein wichtiges Thema lautete „mission from the margins“ – Mission von den Rändern“. Hier gab es unterschiedliche Interpretationen, wer zu den Marginalisierten gehört. Schnell richtet sich der Blick auf Gesellschaftsgruppen in anderen Ländern, bspw. Ureinwohner, benachteiligte Bevölkerungsgruppen , Menschen am Rande der Gesellschaft. Marginalisierte Menschen finden wir aber mitten in unserer Gesellschaft selbst in unseren Gemeinden. Dazu gehören alleinerziehende oder ledige Mütter, Arbeitslose, Behinderte. Eine Pfarrerin aus den USA berichtete wie ein Mädchen mit Down-Syndrom in den Konfirmationsunterricht eingebunden wurde und wie wichtig und wertvoll diese Erfahrung sowohl für das Mädchen als auch für die Gemeinde gewesen ist.

Auch die Themen Mission und verwandelnde Nachfolge wurden unterschiedlich interpretiert und diskutiert. Neben der Evangelisation wird Mission als Zuwendung zu den Menschen verstanden. Kirchen sind aufgefordert neue Wege zu suchen und zu gehen, um glaubwürdig zu sein und in der Gesellschaft sichtbar zu werden. Sie sind aufgefordert ihre Stimme zu erheben und sich zu engagieren zu Fragen der Gerechtigkeit und des Friedens. „Wir können die Welt verändern, in dem wir das Evangelium in unser tägliches Leben übersetzen“, sagte eine Pfarrerin von den Fidschi-Inseln. Nachfolge bedeutet einander zu dienen. Ein weiteres eindrückliches Beispiel für aktives Handeln gab eine lutherische Pfarrerin aus den USA, die mit ihrer Kirche gegen das Einreiseverbot von Präsident Trump protestierte. Mit großen Schildern verbrachten sie einige Tage auf dem Flughafen um dagegen zu protestieren. „Lutherans welcome migrants“ stand auf ihren Schildern. Sie bezogen sich dabei auf ein Zitat von Dietrich Bonhoeffer „Bete und kämpfe für Gerechtigkeit“.

Die ganze Konferenz wurde begleitet von liturgischen Texten, die von jungen Leuten, einer Dramagruppe der Tumaini-Universität von Makumira, dargestellt und getanzt wurden. Diese szenischen Darbietungen halfen die gelesenen Texte und vorgestellten Themen mitzuerleben und sich emotional berühren zu lassen. Die Lieder waren passend ausgewählt. Das gemeinsame Singen und Beten bereicherte die Konferenz spirituell..

Die Gespräche in den Kaffeepausen und während der Mahlzeiten waren offen und vielfältig. Sehr schnell gab es einen intensiven Austausch mit Menschen, denen man zufällig begegnete.

In den Plenarsitzungen fehlten aktuelle Themen wie Migration, interreligiöser Dialog, Rechtsradikalismus, Homosexualität oder Digitalisierung. In einigen, am Nachmittag stattfindenden, workshops die man bereits vor Konferenzbeginn auswählen konnte, gab es Gelegenheit kontroversere Themen, wie bspw. Rassismus, Xenophobie und homophobe Gewalt zu diskutieren.

In der letzten Sitzung wurde der „Arusha Call for Discipleship“ verabschiedet. Während der gesamten Tagung wurden die Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen, auch der Bibelarbeiten, gesammelt und an eine Gruppe weitergeleitet, die dieses Abschlusspapier vorbereitete. In diesem Papier wurde betont, wie das gemeinsame Beten, Singen und Gottesdienste feiern die Gemeinschaft spirituell bereicherte.

Durch das Teilen unserer Geschichten erfuhren wir mehr von unseren Brüdern und Schwestern aus unterschiedlichen Ländern und Kontexten und wurden dadurch ermutigt und bereichert. Auch die existierenden Ungerechtigkeiten in unseren Gesellschaften , wie bspw. die globalen finanziellen Missstände und Diskriminierungen wurden benannt und kritisiert. Wir sind aufgefordert – bewegt durch den Heiligen Geist – darauf zu reagieren. Nachfolge (discipleship) ist ein Ruf an uns und gleichzeitig ein Geschenk, um aktive Mitarbeiter Gottes zu sein mit dem Ziel die Welt zu verändern. Das Besondere an diesem gemeinsam verabschiedeten Aufruf ist die Tatsache, dass alle Kirchen unterschiedlichster Kontexte und Prägungen, diesem Papier zustimmen konnten – in all ihrer Verschiedenheit (diversity).

Wir sind gemeinsam unterwegs als Pilger für Frieden und Gerechtigkeit!


Das war Afrika! Das war Geist! Das war Bewegung, Transformation!
(von Bernd Müller)

Organisiert von der „Kommission für Weltmission und Evangelisation“ (CWME) stand die gerade zu Ende gegangene Konferenz mit  über 1000 Delegierten, Beobachtern und Gästen aus aller Welt unter dem Thema: „Vom Geist bewegt- zu verwandelnder Nachfolge berufen“ (Englisch: „Moving in the spirit: Called to transforming discipleship“).

Es war ein vom Geist bewegtes, spirituelles Miteinander; eine afrikanische Konferenz: spürbar im kraftvollen Ausdruck gemeinsamen Glaubens im Gebet, in Bibelarbeiten, in Musik und Tanz, aber auch unvergesslichen Beiträgen: neben Würdenträgern, Theolog_innen, Funktionär_innen waren diesmal auch viele junge Erwachsene, die Zeugnis gaben von konkreten Herausforderungen ihrer christlichen Existenz, sei es der Klimawandel auf den Fidschi-Inseln, Ausgrenzung als Christen in Minderheitssituationen oder an den Rändern der Gesellschaft, Bedrohung durch Krieg und Terror oder der alltäglich spürbare Rassismus. Das afrikanische „story-telling“ wurde gepflegt und ging unter die Haut.

Die Präsenz von 120 Studierenden des sogenannten GETI-Programms (=Global Ecumenical Theological Institute) prägte Redebeiträge, workshops, den offenen Markt mit Aktionstheater und Ausstellungen sowie die täglichen Andachten und Bibelarbeiten. Mit überragender Gastfreundschaft und Organisationstalent gelang es, unter der Federführung des ÖRK und der Evangelisch Lutherischen Kirche Tansanias (=ELCT), ein farbenfrohes, internationales und geistlich fundiertes Miteinander zu organisieren, und das mal mit afrikanischer Hitze, mal mit Regengüssen und Stromausfällen in der Monsunzeit.

Beeindruckend und wie ein roter Faden sichtbar und hörbar mischte sich immer wieder eine professionelle Aktionstheatergruppe der Tumaini-Universität von Makumira in Farben, Kunst, Bewegung und brillianten Ausdrucksformen inhaltlich abgestimmt ins Geschehen ein. Die Teilnehmenden wurden auf sensible Weise selbst Teil einer viersprachigen, in ökumenischer Vielfalt gefeierten Liturgie (oft mit orthodoxen Elementen) und durch eine internationale Ansinggruppe mit dem Reichtum weltweiten Liedgutes zum Themenbereich vertraut gemacht. ein farbenfrohes, internationales und geistlich fundiertes Miteinander zu organisieren Damit wurde das Konferenzgeschehen abwechslungsreich und zugleich tiefgründig im Ausdruck des Glaubens sowie zahlreichen internationalen sozialethischen Implikationen. Dutzende „workshops“ sorgten für die notwendige Ausdifferenzierung der Thematik transformativer Nachfolge und wurden zuweilen zu kurzfristigen „thinktanks“(=Denkfabriken), deren Ergebnisse in das mehrheitlich abgestimmte Abschlussdokument der Tagung einfließen konnten.

Podiumsgespräche blieben leider harmonisierend. Hier hätte ich mir Zuspitzung und kontroverse Diskurse gewünscht. Als fruchtbar wurden allerseits die multilateralen Bibelarbeitsgruppen empfunden. Aktualitätsbezüge wie beispielsweise aktive Teilnahme an der weltweiten Kampagne gegen sexuelle Gewalt an Frauen wurden durch zahlreiche Aktionen wie „Donnerstags in schwarz“ begleitet.

Auch wenn ökumenische Konferenzen dieser Größenordnung nicht mit Erwartungen überfrachtet werden sollten, erstaunt doch das sehr klare konsensuale Positionspapier als Abschluss-Ruf: „The Arusha Call to Discipleship“ (Der Arusha Ruf zur Nachfolge). Es kann zumindest als Versuch verstanden werden, den Ertrag mehrtägiger multilateraler Beschäftigung mit neutestamentlichen Nachfolgetexten sowie mit ganz aktuellen Herausforderungen christlicher Existenz in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Kontexten zur Sprache zu bringen. Und dies als einen motivierenden Aufruf zu einer neu durchbuchstabierten Nachfolge auf dem gemeinsamen Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens, zu dem die letzte Vollversammlung des ÖRK in Busan aufgerufen hat. Die Dimensionen der Transformation eigener christlicher Existenz im Geist Gottes sowie einer Mitwirkung an der notwendigen Transformation einer Welt, die unzählige Formen von Ungerechtigkeiten und Unfrieden aufweist, werden benannt und greifbar.

Als Delegierter der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck konnte ich mit Beobachterstatus an der Weltmissionskonferenz teilnehmen und komme tief bewegt und ökumenisch be-geist-ert zurück.

 

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