Wir waren über 500 Menschen aus den evangelischen Landeskirchen in Bayern, Württemberg, Pfalz, Baden, Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck und dem Rheinland sowie von der katholischen Friedensorganisation Pax Christi die am Samstag am Fliegerhorst Büchel demonstriert haben. Es war ein Zeichen von vielen Christinnen und Christen für eine atomwaffenfreie Welt und ein Jahr nach der Unterzeichnung des UN- Atomwaffenverbots ein Signal an die Bundesregierung diesen Vertrag ebenfalls zu unterzeichnen.
„Wir wehren uns gegen ein ,Weiter so ́ auf dem Weg der atomaren Abschreckung und Aufrüstung durch Modernisierung dieser schrecklichen, unvorstellbar zerstörerischen Massenvernichtungswaffen“, meinte der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD), Renke Brahms, in seiner Predigt. Er forderte die Bundesregierung nachdrücklich auf, sich dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag anzuschließen und alles dafür zu tun, dass die letzten Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden. Die eindrucksvolle Predigt von Renke Brahms im Wortlaut:
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Liebe Gemeinde!
Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen,…
Gegen verfestigte Feindbilder und den Teufelskreis von Hass und Gewalt bekennen und glauben wir in der Nachfolge Jesu Christi an die Überwindung von Feindbildern und Hass. Deshalb sind wir hier!
Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.
Gegen den ewigen Teufelskreis von Stärke und Abschreckung und die daraus enstehende Aufrüstung bekennen und glauben wir in der Nachfolge Jesu Christi an Auswege aus diesem Kreislauf und glauben auch an die Verletzlichkeit von Verhandlungen und Kompromissen. Deshalb sind wir hier!
Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.
Gegen eine Haltung und Politik des „Amerika, Deutschland oder Bayern first“, gegen eine Abschottung unserer Herzen und und des europäischen Kontinents bekennen und glauben wir in der Nachfolge Jesu Christi an die Barmherzigkeit, an Überwindung von Grenzen und eine solidarische Gesellschaft. Deshalb sind wir hier!
Und ich höre sie schon: die Stimmen, die sagen: wie naiv ist das denn? Ich höre sie sagen: Es gibt nun mal Feinde, die uns Böses wollen und unsere Schwäche ausnutzen würden. Es gibt nun mal Menschen und Nationen, die nur auf Stärke und Druck reagieren. Es gibt nun mal ein „Zuviel“ an Flüchtlingen in unserem Land.
Dann halte ich mich immer noch an Jesus Christus und glaube seinem „Ich aber sage euch“ mehr als den „Abers“ der sogenannten Realisten.
Ich sage es andersherum: Wie naiv ist das denn? Zu meinen, die Welt würde friedlicher, wenn Feindbilder geschürt und Nationen, Machthaber und Religionen dämonisiert und zu Achsen des Bösen stilisiert werden? Wie naiv ist das denn, zu meinen, durch Aufrüstung und Billionen an Ausgaben für Waffen würde es tatsächlich friedlicher auf dieser Erde? Diese Politik folgt einer alten, längst überholten Ideologie. Und wie naiv ist das denn, zu meinen, durch Abschottung Europas wären irgendwelche Probleme gelöst – bei uns oder in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Und wie naiv ist alles zusammen, wenn doch dadurch Ressourcenverschwendet werden, die wir für die Lösung der wahren Probleme dringend bräuchten!
Nein, ich lasse mir keine Naivität vorwerfen, wenn ich der Logik und der Herausforderung der Bergpredigt Jesu folge – wenn ich dem „Ich aber sage euch“ Jesu mehr glaube als den „Abers“ der vermeintlichen Realisten.
Und keiner von uns, die wir hier sind, ist doch so naiv, zu meinen, wir lebten in einer perfekten Welt und es sei ganz einfach mit dem Frieden. Nein, wir alle wissen sehr genau, dass es harte Arbeit bedeutet, auf dem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens die nächsten Schritte zu gehen – und dass dieser Weg immer bei uns selbst beginnt.
Wegen eines dieser nächsten konkreten Schritte sind wir heute hier an diesem Ort versammelt. Wir wehren uns gegen ein „Weiter so“ auf dem Weg der atomaren Abschreckung und Aufrüstung durch Modernisierung dieser schrecklichen, unvorstellbar zerstörerischen Massenvernichtungswaffen.
Und die Mehrheit der Völkergemeinschaft hat ein „Weiter so“ abgelehnt und ein Verbot von Herstellung, Besitz und Anwendung dieser Waffen beschlossen. Und wir sind hier, um die Bundesregierung und alle Verantwortlichen aufzufordern und zu ermutigen, sich dieser Mehrheit anzuschließen – und dafür alles zu tun und vorzubereiten – auch dadauf einzuwirken, dass diese schrecklichen waffen von diesem Ort verschwinden.
Dazu müssen alte Denkmuster der atomaren Abschreckung verlassen und überwunden werden – und das ist gewiss nicht leicht – so wie wir auch von uns wissen, dass es oft schwerfällt, alte Denkmuster zu überwinden.
Es ist auch nicht Sache einer Predigt, den politisch Verantwortlichen vorzuschrieben und vorzuschlagen, wie sie es genau machen sollten. Aber Mut zu machen, alte Wege zu verlassen – das können wir wohl. Und zu sagen, dass wir zusammen mit der Mehrheit der Völkergemeinschaft konkrete Schritte erwarten – das können wir!
Und es ist unsere Aufgabe – gerade als Christenmenschen – davon zu erzählen, dass Frieden gelingen kann, dass Versöhnung und Annäherung möglich sind, dass die Überwindung von Grenzen und Feindbildern erfolgreich sein können.
Wo, wenn nicht in Deutschland – und wer, wenn nicht wir in diesem Land können auf eine Geschichte zurückblicken, in der die Aussöhnung mit den Nachbarvölkern gelungen ist, in der unter dem Aufruf „Keine Gewalt“ Mauern und Zäune gefallen sind. Das war keineswegs naiv und traumtänzerisch.
Und wenn die Medien weitgehend von den Schreckensnachrichten und –bildern beherrscht werden, so erzählen wir die guten Nachrichten vom gelingenden Frieden:
Von dem Immam aus Nigeria, der zusammen mit einem Pastor Immame und Pastoren zum interreligiösen Dialog zusammenbringt, um sich besser zu verstehen und jeglichem Extremismus entgegenzuwirken.
Von dem Lutherischen Pastor, der im Tschad in seiner Gemeinde Flüchtlinge aus den Nachbarländern aufnimmt und ihnen in landwirtschaftlichen Projekten eine Zukunft geben will.
Von der Stiftung für Entwicklung im Sahel, mit der Eirene zusammenarbeitet und die Frieden und nachhaltige Entwicklung in Mali fördert.
Von den Dörfern der Versöhnung in Ruanda, in denen sich Täter und Opfer des grausamen Völkermordes entschieden haben, zusammen hzu leben und sich zu versöhnen.
Von dem ehemaligen Kindersoldaten aus dem Kongo, der heute Strassenkindern in seinem Land zu einer neuen Perspektive verhilft.
Und es gibt so viele dieser Geschichten. Und keine dieser Geschichten macht das Leid und das Elend der jetzt unter Gewalt und Krieg Leidenden gering. Aber jede dieser Geschichten befreit uns aus Resignation und Ohnmacht und schenkt uns Kraft zum Frieden.
Und warum, liebe Gemeinde, warum sollten wir daran zweifeln, dass es auch gelingen kann, die Atomwaffen zu ächten, zu verbieten und weitgehend abzuschaffen. Wir wissen doch auch, dass damit noch nicht alle diese Waffen und alle Gefahren verschwunden sind. Aber was mit den B und C Waffen gelungen ist, muss auch mit den Atomwaffen durchgesetzt werden. Wer sie besitzt, mit ihnen droht oder gar einsetzt, begeht ein Verbrechen gegen die Menschheit.
„Liebet eure Feinde!“ sagt Jesus und vertieft sozusagen damit noch einmal unser politisches Handeln für den Frieden. „Liebet eure Feinde!“ geht an die Wurzel allen Übels, geht auf den Grund menschlichen Zusammenlebens. Er sagt ja nicht: Jetzt komme ich und es gibt keine Feinde mehr!
Jesus ist Realist! Er weiß um unsere menschlichen Schwächen und darum, dass wir immer wieder in alte Muster zurückfallen. Deshalb sitzen diese Worte wie ein Stachel im Fleisch, steht wie ein Leuchtfeuer an der Küste oder wie ein gebotsschild auf dem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens.
Die Abschaffung der Waffen, auch der Atomwaffen, Abrüstung und eine Ende der Gewalt gelingen nur in einer Atmosphäre gegenseitigen Respekts und der Anerkennung der Interessen aller. Das gilt für unser ganz persönliches Umfeld genauso wie für die große Politik.
Daran zu arbeiten, ist tägliches Gehen auf dem Pilgerweg, auf den wir gerufen sind.
Jesus ist Realist! Er sagt: es kann gelingen! Frieden ist möglich! Ja, er ist schon da! In ihm und in den vielen Menschen, die auf dem Weg sind.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn und Bruder. Amen.