Spitzentreffen zwischen Evangelischer Kirche und Landesverband Jüdischer Gemeinden
Darmstadt 13. Mai 2016. Zum ersten Mal haben sich der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Dr. Volker Jung, und der Vorstand des Landesverbands Jüdischer Gemeinden in Hessen mit Dr. Jacob Gutmark offiziell zu einem Meinungsaustausch getroffen. …
(1. Reihe v.l.) Direktor Daniel Neumann, Kirchenpräsident Dr. Volker Jung, Vorstand Dr. Jacob Gutmark, Stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf. (Dahinter v.l.) Pfarrer Friedhelm Pieper, Pfarrerin Susanna Faust-Kallenberg, Oberkirchenrat Detlev Knoche.Bei der Begegnung am Sitz der hessen-nassauischen Kirche in Darmstadt vereinbarten sie, solche Begegnungen künftig regelmäßig einmal pro Jahr durchzuführen, gab die EKHN am Freitag (13. Mai) bekannt. Neben Kirchenpräsident Dr. Volker Jung nahmen auf Seiten der EKHN auch die Stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf und Oberkirchenrat Detlev Knoche, Pfarrerin Susanna Faust-Kallenberg sowie Pfarrer Friedhelm Pieper vom Zentrum Ökumene an dem Gespräch teil. Den Landesverband Jüdischer Gemeinden in Hessen vertraten Dr. Jacob Gutmark für den Vorstand und Direktor Daniel Neumann.
Hohes Interesse am jüdischen Leben
Bei dem Gespräch bewerteten beide Seiten die Kontakte zwischen jüdischen und evangelischen Gemeinden an verschiedenen Orten und bei interreligiösen Veranstaltungen als sehr positiv. Die jüdischen Gesprächspartner wiesen jedoch darauf hin, dass die zahlenmäßig kleinen jüdischen Gemeinden den vielen Nachfragen nach gemeinsamen Veranstaltungen kaum nachkommen könnten. Zum jüdischen Dachverband in Hessen gehören heute zehn Gemeinden zwischen Darmstadt und Kassel mit etwa 5.000 Mitgliedern. Die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main mit 7.000 Mitgliedern ist eine eigenständige Größe und mit dem Verband durch einen Freundschaftsvertrag verbunden. Zur EKHN gehören in über 1.100 Gemeinden etwa 1,7 Millionen Mitglieder.
Religiöse Erziehung bleibt Herausforderung
Übereinstimmend bezeichneten es die jüdischen und christlichen Gesprächsteilnehmer als große Herausforderung, das eigene religiöse Verständnis und Wissen in ihrer jeweiligen Gemeinden zu erweitern. Ganz ähnlich sei bei beiden Gemeinschaften zu beobachten, dass zum Beispiel junge Menschen nach der Konfirmation oder Bar Mitzwa oft den Kontakt mit ihrer Religion verlören. Religiöse Erziehung, die Vergewisserung, „woher man komme“, und das Vermitteln von eigenen religiösen Traditionen und Glaubensgrundsätzen seien große Aufgaben, bei denen Begegnungen mit anderen Religionsgemeinschaften hilfreich sein könnten.
Migration und Integration ist großes Thema
Intensiv diskutierten die evangelischen und jüdischen Gesprächspartner über Fragen der Migration und Integration. Angesichts der vielen nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge aus dem Nahen Osten stelle sich die Frage, wie einem möglichen weiteren Anstieg des Antisemitismus begegnet werden könne. Mitglieder jüdischer Gemeinden würden immer wieder mit antisemitischen Vorurteilen und Ausgrenzungen konfrontiert. Auch gebe es die Furcht, dass der israelisch-palästinensiche Konflikt zunehmend in Deutschland ausgetragen werde, wobei hier lebende Juden zu Unrecht pauschal als Vertreter israelisch-politischer Interessen wahrgenommen würden. Gleichzeitig gebe es jedoch auch große Anteilnahme für das Schicksal der Flüchtlinge und Sammel- und Spendenaktionen.
Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt stellen
Als bedeutende und erfreuliche Entwicklung bezeichneten beide Seiten Erklärungen, die das Gemeinsame zwischen Juden und Christen betonten ohne das Trennende aus den Augen zu verlieren. Zuletzt hatte ein Zusammenschluss orthodoxer Rabbiner aus Europa, Amerika und Israel im Dezember 2015 eine Erklärung verfasst, in der festgestellt wurde, dass das Christentum von Gott gewünscht sei. Dort sei eine echte Partnerschaft von Juden und Christen, vor allem im moralisch-ethischen Bereich und eine enge Zusammenarbeit gefordert worden, um die zahlreichen Herausforderungen einer globalisierten und säkularisierten Welt gemeinsam zu bewältigen. Die EKHN wird im Jahr 2016 an das 25-jährige Jubiläum der Ergänzung ihres Grundartikels erinnern, der „die bleibende Erwählung der Juden und Gottes Bund mit ihnen“ hervorhebt. Sowohl für die EKHN als auch für den Landesverband Jüdischer Gemeinden in Hessen sei das weitere Engagement im christlich-jüdischen Dialog sehr wichtig.
Hintergrund
Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen ist ebenso wie die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ anerkannt. Der Verband vertritt die religiösen, wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen der Jüdischen Gemeinden in Hessen gegenüber der Landesregierung, Behörden und der Öffentlichkeit. Er organisiert Jüdischen Religionsunterricht und betreut die nahezu 350 Jüdischen Friedhöfe in Hessen. Dem Dachverband gehören die Jüdischen Gemeinden Darmstadt, Kassel, Wiesbaden, Offenbach, Marburg, Gießen, Fulda, Bad Nauheim, Limburg und Hanau an.
Das Amt des Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ist mit dem eines Bischofs in anderen evangelischen Kirchen vergleichbar. Er vertritt die Kirche nach außen, hat den Vorsitz der Kirchenleitung inne und kann in eigener Verantwortung zu wesentlichen Fragen, die Kirche, Theologie und Gesellschaft betreffen, öffentlich Stellung beziehen. Gemeinsam mit der Stellvertretenden Kirchenpräsidentin und sechs Pröpstinnen und Pröpsten nimmt er die geistliche Leitung der EKHN wahr. Der Kirchenpräsident muss ordinierter Pfarrer sein und wird von der Kirchensynode für eine Amtszeit von jeweils acht Jahren gewählt. Das Gebiet der EKHN erstreckt sich über Südhessen und Teile von Rheinland-Pfalz vom Westerwald bis zum Odenwald, vom Vogelsberg bis nach Rheinhessen mit der Metropolregion Rhein-Main und Frankfurt im Zentrum.