Kirchenpräsidenten sehen „humanitäres Desaster“ in Europa

Mit einem großen feierlichen Gottesdienst wurde heute in Torre Pellice die Synode der Waldenser und Methodisten in Italien eröffnet. Vor Beginn der Synode gab es ein Treffen zwischen Kirchenpräsident Volker Jung und Eugenio Bernardini, Kirchenpräsident der Waldenser und Methodisten.  Dabei verständigten Sie sich auf ein gemeinsames Statement zur gegenwärtigen Flüchtlingspolitik in Europa.

Das Statement im Wortlaut:

Aktuelle Flüchtlingspolitik konterkariert Engagement der Kirchen in Italien und Deutschland

Im Vorfeld der Synode der italienischen Methodisten- und Waldenserkirchen trafen sich ihr Kirchenpräsident Eugenio Bernardini und Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Torre Pellice, Italien zu einem Gespräch über aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen.

Beide Kirchenpräsidenten zeigten sich erschüttert von der gegenwärtigen Flüchtlingspolitik in Deutschland und Italien sowie über die europaweiten Trends zur Aushöhlung des Asylrechts und der Entsolidarisierung. Die drastisch steigenden Zahlen ertrunkener Bootsflüchtlinge und die mangelnde Bereitschaft, ja Behinderung, europäischer Länder zur Seenotrettung und für eine gemeinsame Flüchtlingspolitik führe zu einem humanitären Desaster. „Europa verliert seine Seele, wenn Werte wie die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte zunehmend in Frage gestellt werden“, waren sich die Kirchenpräsidenten einig.

Beide Kirchen setzen sich mit erheblichem professionellem und ehrenamtlichen sowie finanziellem Engagement für eine humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen und ihre Integration in die Gesellschaften ein. Mit dem Programm „Gemeinsam Kirche sein“ haben sich Gemeinden der italienischen Methodisten und Waldenser für Menschen vor allem aus Afrika geöffnet. Mit dem Projekt „Hoffnung für das Mittelmeer – Mediterranean Hope“ zeigen die italienischen Kirchen Alternativen für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in Italien auf. In der EKHN engagieren sich mehrere tausend Ehrenamtliche für Flüchtlinge, erteilen kostenlosen Sprachunterricht, begleiten sie bei Behördengängen oder der Suche nach einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Beide Kirchen setzen sich für eine menschenwürdige Aufnahme der oftmals schwer traumatisierten Menschen ein.

Nach Einschätzung von Bernardini und Jung werden diese Bemühungen durch die gegenwärtige unmenschliche und in Teilen rechtswidrige Flüchtlingspolitik konterkariert, behindert und grundlegend in Frage gestellt. Deutsche und italienische Kirchen unterstützen humanitäre Organisationen für die Seenotrettung. Diese werden derzeit häufig an ihrer Arbeit gehindert, da ihnen Häfen in Italien und Malta versperrt bleiben, das administrative Regeln das Auslaufen verhindern, oder das Maritime Rettungszentrum für die Region im zentralen Mittelmeer in Italien Kapitänen rät, aus Seenot Gerettete an die libysche Küstenwache zu übergeben.

Deswegen fordern beide Kirchenpräsidenten die Rückkehr zu einer Flüchtlingspolitik, die sich am Schutzbedürfnis und den Menschenrechten von Flüchtlingen orientiert.

Sie appellieren an die europäischen Regierungen und Institutionen, eine effektive zivile europäische Seenotrettung zu organisieren, die Kriminalisierung humanitärer Organisationen, die zurzeit anstelle der eigentlich Zuständigen Menschen retten, zu unterlassen, sowie sichere Wege und großzügige humanitäre Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge zu schaffen, wie z.B. das Programm humanitäre Korridore, das in Italien, Frankreich und Belgien ökumenisch umgesetzt wird. „Mit solchen und weiteren Alternativen, wie Einwanderungsmöglichkeiten für Arbeit und Ausbildung, könnte tatsächlich den Schleppern Einhalt geboten werden und das Sterben im Mittelmeer deutlich reduziert werden,“ zeigen sich die Kirchenpräsidenten überzeugt. Darüber hinaus schlugen beide Kirchenpräsidenten vor, die aktuell aus Seenot geretteten Flüchtlinge auf europäische Länder zu verteilen.

Seit vielen Jahren gibt es enge partnerschaftliche Verbindungen zwischen der Waldenserkirche und der EKHN. Diese finden ihren Ausdruck im theologischen Austausch, gegenseitigen Besuchsprogrammen und der wechselseitigen Unterstützung in diakonischen Projekten und im Engagement für Flüchtlinge. Innerhalb der EKHN gibt es Kirchengemeinden, die bis heute eng mit der Leidensgeschichte der Waldenser verbunden sind und deren Gründung auf die Vertreibung der Waldensern 1698 aus dem italienischen Piemont zurückgeht.
Auf Einladung der Waldenserkirche nimmt Kirchenpräsident Jung in den kommenden Tagen an der Synode der italienischen Methodisten- und Waldenserkirchen in Torre Pellice teil.

 

 

 

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