Schwerter zu Pflugscharen

Heute Morgen habe ich mit der Gemeinde in Bhindi Saidan Gottesdienst gefeiert. Es ist ein kleines Dorf kurz vor der pakistanischen Grenze und liegt etwa 38 km nordwestlich von Amritsar.

Wir brauchen mit dem Auto über eine Stunde um dorthin zu kommen. Je näher wir kommen umso einfach werden die Lebensverhältnisse der Menschen und schwieriger die Straßenverhältnisse. Gepredigt habe ich über die Vision des Propheten Jesaja aus dem 2. Kapitel seines Buches:

„Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“

In meiner Predigt habe ich von der Wiedervereinigung des geteilten Deutschland vor 30 Jahren am 9. November erzählt. Was es bedeutet in einem geteilten Land zu Leben, das verstehen die Menschen hier sehr gut. Die Gründung Indiens und Pakistans hat 1947 dazu geführt, dass mitten durch den Punjab eine bis heute kaum überwindbare Grenze gezogen wurde. Familien wurden getrennt und eine Region mit einer gemeinsamen Kultur und Religion zerschnitten. Die militärische Aufrüstung auf beiden Seiten der Grenze macht den Menschen Angst vor einem Krieg. Dagegen steht die Vision des Propheten Jesaja, dass Völker in Frieden zusammen leben und Feindschaft überwinden können. „Schwerter zu Pflugscharen“ – von dieser Vision waren auch die Montagsdemonstrationen in Leipzig und in den anderen Orten der ehemaligen DDR getragen, die dann zum Fall der Mauer und einer  friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands führten.

Diese Vision des Propheten beschreibt keinen paradiesischen Zustand, sondern eine ganz reale Aufgabe. Wenn Schwerter zu Pflugscharen und Spieße zu Sicheln werden, bedeutet das immer noch: Felder müssen bestellt und gepflegt werden. Das ist die tägliche harte Arbeit der Menschen hier in Bhindi Saidan und in weiten Teilen des Punjab. Doch die, die sie ausüben, sollen nicht mehr fürchten müssen, dass andere sie um ihren Ertrag bringen. Wer Häuser baut und das Land bestellt, soll auch darin wohnen und von der Ernte leben können, wie es ebenfalls im Jesaja-Buch heißt. Das macht den Menschen hier Mut und dafür setzt sich die Diözese mit ihrer Menschenrechtsarbeit und mit der Vergabe von Mikrokrediten zur Existenzsicherung ein. Symbolisch dafür steht am Ende eines jeden Gottesdienstes das aus der Tradition der Sikhs kommende „Langar“ – die Gemeinschaft der Essenden.

Auf unserem Weg nach Bhindi Saidan konnten wir sehen, wie beschwerlich die Arbeit in der Landwirtschaft bis heute oft noch ist. Der erste Kurzfilm zeigt das Dreschen von Weizen ohne maschinelle Unterstützung; der zweite Kurzfilm zeigt die Herstellung von Jaggery (unraffinierter brauner Rohrzucker):

 

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