Im Rahmen der heutigen Sitzung der 12. Tagung der Elften Kirchensynode der EKHN gedachte der Präses der Synode Dr. Ulrich Oelschläger mit folgenden Worten an den Völkermord an den Armeniern:
„Heute gedenken armenische Christen auf der ganzen Welt der Menschen, die zwischen 1915 und 1919 am Ende des Osmanischen Reiches Massakern, Zwangsumsiedlungen und Vertreibungen zum Opfer fielen. Mehr als eine Million armenische Christen sowie eine halbe Million assyrische, chaldäische und griechisch-orthodoxe Christen starben damals. Sie wurden Opfer der Ideologie der Jungtürken, die um den Preis einer türkischen Identität religiöse und ethnische Minderheiten und hier besonders die armenischen Christen vertrieben und töteten. Verantwortliche Politiker, Diplomaten und Militärs des deutschen Kaiserreichs wussten Bescheid, unternahmen damals aber nichts, um die osmanischen Bündnispartner nicht zu verärgern. Auch 100 Jahre nach dem Völkermord trauern die aus der Türkei vertriebenen Christen noch immer um ihre Opfer und den Verlust ihrer Heimat. Zusammen mit den vielen alten Kirchen haben sie ein Stück ihrer Geschichte und Tradition verloren. Für sie ist es wichtig, dass das Schicksal ihres Volkes nicht vergessen wird. Eine Leugnung des Völkermordes bedeutet für sie die letzte Stufe seines Vollzuges.
Bis heute ist es jedoch in der Türkei nur unter erschwerten Bedingungen möglich, über den Völkermord an den Armeniern zu diskutieren. Gemäß §301 der türkischen Verfassung gilt die Bezeichnung der Ereignisse von 1915 als Völkermord noch immer als Schmähung des Türkentums. Darauf weisen Bischof Hein und Kirchenpräsident Jung in einem gemeinsamen Brief an die Gemeinden hin. Zwar ist die Zahl derjenigen, die sich mit dem Völkermord beschäftigen, gestiegen, Gedenkveranstaltungen haben zugenommen und die Regierungspartei AKP sucht den Kontakt zum Nachbarland Armenien. Auch hat der türkische Premierminister Davutoglu in seiner Erklärung zum 100. Gedenktag den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl ausgesprochen und auf die Notwendigkeit der Bewahrung des armenischen Erbes in der Türkei hingewiesen, die Bezeichnung Völkermord und ein Schuldbekenntnis hat er jedoch abgelehnt. ‚Aus eigener Erfahrung bekräftigen wir, dass der kritische Umgang mit der eigenen Vergangenheit eine aus der Schuld vergangener Generationen erwachsene Verantwortung zur Erinnerung an geschehenes Unrecht ist.‘ (zitiert aus dem gemeinsamen Brief des Bischofs und Kirchenpräsidenten). Ohne Schuldbekenntnis keine Vergebung und ohne Vergebung keine Versöhnung.
Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland hat in einer gemeinsamen Erklärung ihren Mitgliedskirchen vorgeschlagen zum Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und an die Opfer anderer christlicher Minderheiten in ihren Kirchengemeinden die Glocken zu läuten. Mit einer gemeinsamen Stellungnahme haben sich Kirchenpräsident Jung und Bischof Hein an die Kirchengemeinden der EKHN und EKKW gewandt und dabei unter anderem dazu angeregt, sich dem Glockenläuten anzuschließen und dieses mit Andachten, Gottesdiensten und Gebeten zum Gedenken an den Völkermord an den Armeniern zu verbinden.
Auch wir als Synode wollen uns diesem Gedenken heute anschließen und im Gebet der Opfer gedenken.“
Nachfolgendes Gebet wurde von Pfrn. Dr. Bei der Wieden, stellvertretende Präses der Synode, gesprochen:
Barmherziger Gott,
wir bringen vor dich das Leid, das dem armenischen Volk zugefügt worden ist.
Noch immer leiden viele unter den Wunden, die der Völkermord in ihren Familien und in die Herzen gerissen hat.
Heile du, was zerbrochen ist.
Gib dem armenischen Volk die Kraft, in der Gewissheit deiner Liebe bei dir Mut und Hoffnung zu schöpfen.
Bewahre das Volk vor Unheil und Verfolgung und stärke alle, die fern von ihrer Heimat trauern.
Wir bitten dich für alle, die bis heute das Geschehen verdrängen und nicht wahrhaben wollen.
Lass alle Opfer dieser Greueltaten auch bei ihnen nicht in Vergessenheit geraten.
Führe diejenigen, die verhärtet sind, zur Einsicht
und öffne ihre Herzen für Versöhnung und Schritte des Friedens.
Amen
(Gebet aus der ACK Handreichung)